Samstag, 22. Oktober 2011

Preute ahnt etwas - zum 75. Geburtstag von Jacques Berndorf




Lieber Michael, ich wünsche Dir von Herzen alles Gute zu Deinem Ehrentag - bleib kriminell, gesund und schreibend!

Meine erste Lesung durfte ich neben anderen hervorragenden Freunden auch mit Dir gestalten - natürlich warst Du der Star des Abends, und ich der unbekannte Newcomer. Zuletzt in Daun lasen wir wieder einmal am selben Abend unsere Krimis aus derselben Anthologie (Tatort Eifel natürlich), was mich mit großem Stolz und Dankbarkeit erfüllt. Und natürlich warst Du auch an diesem Abend wieder der große Star ... bei manch anderem Kollegen hätte ich dann vielleicht einen winzigen Anflug von Neid erleiden können, bei Dir ist dies völlig unmöglich!

Dir zu Ehren ein wirklich kurzer Kurzkrimi, der kürzeste Kurzkrimi, den ich je verfasst habe ...



Preute ahnt etwas

Der Mann steckte sich eine Pfeife in den weißen Bart und entzündete sie. Er sog einige Male schnell und kräftig daran, bis er sicher war, die Glut sich selbst überlassen zu können. Dann klopfte er energisch an die Tür, vor der er stand.
Jemand öffnete so schnell, dass er seine Vermutung, dass man dort schon längst auf ihn gelauert hatte, bestätigt fand. Dieser Jemand war ein Kerl, dessen elegante Kleidung so gar nicht zu dem ausgesprochen gewöhnlichen Gesichtsausdruck passen wollte. Der Alte paffte zwei, drei Züge und kam zu dem Schluss, dass man hier einen Straßenköter in einen viel zu teuren Anzug gepackt hatte. Der Köter knurrte ihn dann auch unvermittelt an:
„Das ist ein Nichtraucherhaushalt.“
„Freut mich“, sagte der weißhaarige Besucher mit einer tiefen Stimme, der man anhörten mochte, dass er in seinem Leben schon viele Schweinehunde wie diesen angesprochen hatte. „Kann ich dennoch ein paar Fragen stellen?“
„Wer sind Sie denn überhaupt? Wieso Fragen? Worüber?“
„Mein Name ist Preute. Michael Preute. Ich habe gehört, dass ein Geschäftsmann, der nach Hillesheim kam und seitdem vermisst wird, zuletzt hier mit Ihnen gesehen wurde. Lebend, meine ich.“
„Gar nichts hat der hier zu fragen!“, zischte ein zweiter Mann, der an die Haustür neben den Köter getreten war. Der Alte betrachtete diesen anderen Kerl gelassen, aber aufmerksam. Er hatte im Verlaufe vieler Jahre in den beschissensten Ecken der Welt genug Gewaltmenschen getroffen, um diesen Mann sofort richtig einschätzen zu können. Der rasierte Schädel wird Narben auf, die offenbar von diversen Schnitten und Schlägen herrührten. Eine mehrfach gebrochene Nase unter kleinen Augen, die eng zusammenstanden und sein Gegenüber eiskalt musterten. Der Kerl sprach weiter:
„Der Alte hat sich mit falschem Namen vorgestellt. Ich kenn ihn, der heißt nicht Preute, sondern Berndorf.“
Der Pfeifenraucher schüttelte langsam den Kopf und brummte: „Junge, das ist der Name, unter dem ich Kriminalromane schreibe. Das nennt man ein Pseudonym.“
„Leck mich, Silberlocke“, fauchte der Typ. „Du lügst doch, wennde den Mund aufmachst. Was willste ausbaldovern?“
Michael Preute hatte ein in vielen unschönen Situationen ausgeprägtes Gefühl dafür, wenn eine Situation ungemütlich zu werden drohte. Er ahnte, das dies jetzt unmittelbar bevorstand, und dass es in Hillesheim vielleicht doch gefährlicher war als gedacht. Der Glatzkopf ließ ansatzlos seine Faust vorschnellen. Es krachte am Kinn des Alten, der dem Schlag nichts entgegen zu setzen hatte. Die Pfeife flog in hohem Bogen auf die Straße. Er ging in die Knie und sah dann zwar den Tritt kommen, konnte aber nichts dagegen tun. Eine Rippe knackte. Für einen Moment sah der Alte nichts mehr. Die Tür wurde zugeschlagen. Er fand sich alleine auf dem Bürgersteig liegend wieder.
„Was für eine Scheiße“, knurrte er. „Ich bin doch nicht Siggi Baumeister, der wäre das gewohnt.“
Mühsam raffte er sich auf und kroch zu der Pfeife, die einige Meter entfernt von ihm auf dem Asphalt lag. Michael Preute hob sie auf, betrachtete sie argwöhnisch, dann wischte er das Mundstück ab und sog daran. Das geliebte Utensil schien die Attacke besser überstanden zu haben als er selbst.
„Schwein gehabt“, brummte er. „Aber glaubt ja nicht, ich würde jetzt meinen, ich sei zu alt für so etwas.“

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